EMOTIONALE KÜCHE VERSUS STERNEKÜCHE - EIN PAAR GEDANKEN

Hallo ihr Lieben,

bevor ich zum nächsten Teil meiner Optigrill-Serie komme, möchte ich euch an ein paar Gedanken über das Kochen teilhaben lassen, die mich seit ca. 14 Tagen bewegen.

Vor zwei Wochen habe ich die erste Folge der neuen Staffel "Kitchen Impossible" angesehen. Der Gegner von Mälzer war der deutsche junge Koch Christian Kunz, geboren 1986 und mit zwei Sternen dekoriert. Kunz musste ein Gericht in einem Sternelokal nachkochen, allerdings keines, das dort den Gästen vorgesetzt wird, sondern ein Personalessen: ein Gulasch.
Am Ende dieser Challenge sagte Kunz etwas, das mich sehr beeindruckt hat - ich zitiere:

"Ich glaube, solche Gerichte, wie ich heute kochen durfte, das ist richtiges Kochen. Klar können wir alle sensationell irgendwelche Sachen zusammenbauen, aber gerade solche Emotionsgerichte stellen uns vor eine extreme Herausforderung"

Mit Liebe gekochtes Schweinegeschnetzeltes


Warum ich diese Aussage so großartig fand und mir der Herr Kunz dadurch extrem sympathisch wurde?

EINE FRAGE DES RESPEKTS

Klar, auch dieses Originalgericht wurde von sehr guten, gelernten Köchen zubereitet, aber trotzdem war es ein einfaches Gericht in großer Menge, wie wir es täglich für uns und unsere Familien zubereiten. Und da sitzt nun so ein wirklich grandioser und talentierter Koch und sagt, dass diese unsere Küche mindestens genauso viel wert ist wie jedes Sterne-Chichi-Gericht.

(Quelle: VauEm  / pixelio.de)


Dieser Könner der Haute Cuisine, der sich durchaus etwas auf seine Fähigkeiten einbilden könnte, hat etwas gezeigt, das ich manchmal in diversen Kochgruppen vermisse, nämlich Respekt.

Da sagt jemand offen, nur derjenige könne kochen, der frei Schnauze ungewöhnliche Gerichte zelebriert und lässt offen alle Rezepteköche wissen, dass sie nichts drauf haben. Da haut jemand eine ganze Reihe Würgesmileys als Kommentar unter einen Post, nur weil ihm eine einzige Zutat davon nicht schmeckt. Da sieht ein Foto nicht ganz so lecker aus und jemand meint mit "Ihh, wie unappetitlich!" kommentieren zu müssen, statt sich seine Sache halt nur zu denken. Und ich frage mich: ist es wirklich nötig, das mit Liebe für den Partner oder die Familie oder auch nur für sich selber gekochte emotionale Gericht eines anderen nieder zu machen, nur weil es nicht ins eigene Weltbild vom perfekten Kochen passt oder weil man sich selber für was Besseres hält? Die Antwort liefere ich gleich hinterher: NEIN, ist es nicht, es ist einfach nur respektlos.

SELBSTBEWUSSTSEIN

Ich kann sehr gut kochen, ich weiß das und ich freue mich auch über diese Fähigkeit. Natürlich gibt es Leute, die mir diese Aussage nun gerne als Überheblichkeit ankreiden, aber das ist mir egal. Denn ich finde es schade, dass vor allem Frauen es immer noch gewohnt sind, ihr Licht unter den Scheffel zu stellen. Mal ehrlich, wer von meinen Leserinnen kann ein Kompliment einfach ohne ein "oooch, das ist doch nichts" annehmen? Es ist nicht überheblich, wenn man offen zu dem steht, was man gut kann, es ist nur überheblich, wenn man meint, man müsse nichts mehr dazulernen oder man sei besser und was Besseres als jeder andere.

Peruanisches Rinderfilet Lomo Saltado nicht perfekt fotografiert, aber lecker


Mir ist es auch egal, dass meine Fotos nicht so perfekt wie in Kochbüchern oder manchen Foodblogs aussehen, denn auch wenn ich ein Gericht dafür schöner anrichte, als ich es normalerweise tue und versuche, die richtigen Einstellungen der Kamera vorzunehmen und den perfekten Winkel zu erwischen: es ist das, was in dem Moment auf den Tisch kommt! Und das ist gut so. Ich möchte auch mit meiner Familie zusammen essen und nicht noch 1 Stunde am Mini-Fotostudio stehen, während sie schon lange genießen. Wem das (oder meine Rezepte) zu altbacken oder nicht schön genug ist, der darf gerne wegschauen 😉

Leider erlebe ich immer wieder, dass sich Frauen (kochende Männer haben meiner Erfahrung nach eher selten Selbstzweifel) sich von Hochglanzbildern verunsichern lassen. Sie kochen für Partner, Familie und Gäste, allen schmeckt es und trotzdem sagen sie, sie würden nicht gut kochen können. Weil sie für Neues Rezepte brauchen, weil sie sich nicht an neue Zutaten ran trauen, weil...weil...weil...
Mädels, das was ihr macht, ist emotionale Küche! Die laut Kunz mindestens genauso viel wert ist wie die Sterneküche. Ihr KÖNNT kochen! Und darauf dürft ihr auch stolz sein.

Kaviar & Schäumchen (Quelle Pixabay SabineRuhland)


HIER NOCH EIN AGAR-PERLCHEN

und dort noch ein Gurkenschäumchen... wenn das "modern" ist, dann kann ich drauf verzichten. Ich habe auch schon gehobene Küche in noblen Restaurants gegessen und das ist spannend und schmeckt. Aber täglich brauche ich sowas nicht. Einer meiner Söhne meinte einmal, ich könne mich doch für "The Taste" bewerben - im LEBEN nicht! 😲 Ich schaue das gerne an, ich finde die Löffel toll, aber meins wäre das nicht, solche Miniportionen mit viel Tralala anzurichten.

Perfekt arrangiert und belichtet (Quelle: Pixabay EM80)


Ich probiere allerdings für mein Leben gerne Zutaten und Gewürze aus, die ich zuvor noch nie verwendet habe. Immer wieder höre ich von anderen "Ich kann nicht kochen, ich traue mich nicht, was anderes auszuprobieren oder mal mit Gewürzen zu experimentieren" - erstens ist das kein Muss, um seine Kochfähigkeiten zu beweisen und zweitens: probiert es doch einfach mal aus, wenn ihr Lust dazu habt. Was kann denn schon passieren? Das es nicht schmeckt? Wir sind keine Gehirnchirurgen, wenn mal was schief läuft und das Ganze in den Müll wandert, geht davon nicht die Welt unter. Und ihr werdet euch wundern, wie oft das eben nicht der Fall ist, sondern was ganz Tolles dabei herauskommt.
Es könnte einem Familienmitglied nicht schmecken? Mein Ältester hat sich kürzlich strikt geweigert, meine Pizzasuppe zu probieren, aus Prinzip. Er ist nicht verhungert, im Kühlschrank gab es noch anderes 😄

Das Schönste für mich, seit ich im Internet kulinarisch unterwegs bin und auch ab und zu mal Hilfestellung gebe, sind freudige Feedbacks dieser Art "Ich dachte, ich könne nur mit Maggi Fix kochen, bis du mich dazu ermutigt hast, es einfach mal mit selber würzen zu probieren - es klappt! Ich kann kochen!" Hab ich doch gewusst! 😉😊

Ausprobiert mit Erfolg: Afrikanischer Weißkohl mit Afrikanischen Rinderspießen


DAS EMOTIONALE FAZIT

Jetzt hab ich aber lange geschwafelt 😁. Um es auf den Punkt zu bringen: traut euch was, habt Spaß am Kochen, genießt die Ergebnisse, seid stolz auf das, was ihr auf den Tisch bringt und lasst euch nicht durch gestellte Foodfotografie und Meckerfritzen verunsichern. Und wenn ihr mir schon nicht glaubt, dass mit Liebe gekochte Gerichte - so einfach sie auch sein mögen - genauso wertvoll sind wie außergewöhnliche Sterneküche, dann glaubt es wenigstens dem Christian Kunz.

Ansonsten würde ich mir mehr Respekt im Umgang miteinander wünschen, was nicht heißt, dass man nicht auch mal ein bisschen blödeln darf (und man da auch nicht überempfindlich reagieren sollte), aber man sollte sich immer überlegen, ob eine Kritik konstruktiv oder einfach nur unnötig und verletzend ist.

Liebe Grüße
Eure Kerstin










Kommentare

  1. Das lesen des Textes hat sich in meinen Augen mehr als gelohnt.
    Sehr oft kommentiere ich nichts um nicht so eine unnötige Lawine von Depatten los zu treten.
    Meine Einstellung ist, wer in der Lage ist mit einem kleinen bzw. fast leeren Kühlschrank kochen zu können , der hat meine Achtung.
    hoffentlich habe ich es verständlich rüber gebracht.
    und bekanntlich Geschmäcker sind verschieden , darum sollte man sich auch manchmal zurücknehmen.

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    1. Danke schön und danke auch für den Kommentar, das freut mich. Ich verstehe vollkommen, was gemeint ist. Und genau: Geschmäcker sind verschieden und man muss nicht alles mögen, aber man sollte respektieren, wenn andere einen anderen, deswegen aber ja nicht schlechteren Geschmack haben. Ich wünsche einen schönen Sonntag :-)

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  2. Liebe Kerstin, du sprichst mir aus der Seele. Auch ich liebe es zu kochen bzw. meine Liebsten zu bekochen und es ist für mich die höchste Anerkennung und Wertschätzung, wenn sie sagen, es hat ihnen geschmeckt. Liebe geht ja bekanntlich durch den Magen ;-) ich weiß ich kann kochen und stehe auch dazu, warum auch nicht, ist eben so. Genauso wie manche einen Flick Flack können oder ein Flugzeug fliegen...
    Man lässt sich auch oft von den schicki-micki Bildern blenden, aber so ist allgemein die soziale Medienwelt und anscheinend wollen die Leute das, geblendet zu werden. Denn zuhause auf dem Tisch richtet es man ja selten so an oder macht sich soviel Aufwand. Mit der Familie zusammen essen ist bei uns ein Ritual und alle freuen sich darauf. Mein Freund kannte das davor nicht und meinte mal, das fühlt sich so richtig nach zuhause an. Da will man doch nicht extra noch dies und das herrichten für Fotos oder sonstiges, nein, beisammen sitzen, essen, quatschen und einfach genießen. Das Andere Fotos von Essen das "natürlich" aussieht runtermachen verstehe ich auch nicht und sehe es wie du, respektlos. Einfach einmal nichts dazu sagen kann man heutzutage anscheinend nicht mehr, schade. Naja, jeder wie er will und nicht anders kann, ich denke mir meinen Teil dann immer!
    Liebe Grüße und noch einen schönen kulinarischen Sonntag

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    1. Liebe Tanja,
      tolle Antwort, aber wir sind ja so oft auf der gleichen Schiene :-) Dass du kochen kannst, weiß ich, wenn ich mir immer deine Foodday-Fotos - gut fotografiert und dennoch authentisch, wie ich es liebe - anschaue. Wie oft kriege ich da Hunger :-D
      Die Zeit "abends alle am Tisch" - die liebe ich sehr. Sonst hat man ja eher wenig Zeit miteinander, seit die Söhne erwachsen sind. Das ist tatsächlich zuhause, das hat dein Freund perfekt ausgedrückt. Nun ja, zum Glück hat er das jetzt bei dir wenigstens kennengelernt, sonst hätte er echt was verpasst :-)
      Liebe Grüße und auch dir noch einen schönen Sonntag (kulinarisch geht´s bei uns Sonntags immer eher sparsam zu *lach*)

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