DER TESÖL IN LIMONE SUL GARDA - DANIEL COMBONI, SEIN LEBEN UND WERK


Hallo ihr Lieben,

im August waren wir wieder einmal in meinem heißgeliebten Limone am Gardasee und besuchten dieses mal nach Jahren erneut den Tesöl, da auf Plakaten im Ort eine Wanderaustellung dort zum Thema "Afrikanische Weisheiten" angezeigt worden war. Der Tesöl ist für mich ein ganz besonderer Ort, weshalb ich ihn euch heute gerne vorstellen möchte... aber ihr fragt euch nun sicher, von was ich überhaupt rede:

TESÖL???

Ob dieses Wort eine besondere Bedeutung hat, habe ich mich bereits selber gefragt und versucht, es heraus zu finden. Allerdings kam ich zu keinem Ergebnis, es scheint lediglich ein '''Eigenname''' für die Anlage zu sein. Das "Centro Comboni Tesöl" , das man in Limone besichtigen kann, ist das '''Geburtshaus''' des 2003 heilig gesprochenen Missionars Daniel Comboni, dessen Vater Luigi Comboni seinerzeit als Gärtner in den Limonaias (den Zitronengärten mit den für die Gegend typischen säulenumsäumten Hanganlagen) beschäftigt war. Ein Teil des Centro wird von den heutigen Comboni-Missionaren für Tagungen etc. genutzt, der andere Teil wurde für die Öffentlichkeit zugängig gemacht.



Ich denke, um alles etwas verständlicher zu machen und einen Ausgangspunkt zu finden, muss ich zunächst einmal erklären, wer dieser Daniel Comboni eigentlich war - viele von euch werden sicher schon einmal von den Comboni-Missionaren gehört haben, aber so mancher weiß vielleicht nichts Genaueres darüber. 

EIN HERZ FÜR AFRIKA 

Daniel Comboni wurde am 15. März 1831 als das vierte Kind von Luigi Comboni und seiner Frau Domenica, geborene Pace, geboren. Er war das einzige Kind des Paares, das nicht im frühen Kindesalter starb, so dass die Eltern sehr an ihm hingen. Bereits der Ortspfarrer erkannte die Intelligenz und Begabungen des Jungen und drängte die Eltern, ihm eine gute Schulausbildung zu geben. Mit 12 Jahren kam Daniel in das Institut des Priesters Nicola Mazza in Verona, wo er später zum Priester und Institutsmitglied wurde.

Schlafzimmer der Eltern Combonis, in dem Comboni geboren wurde


Das Institut Mazza engagierte sich unter anderem auch an Aktionen zum Loskauf und der Ausbildung afrikanischer Sklavenkinder. So lernte Daniel Comboni das schlimmste Kapitel der afrikanischen Geschichte kennen und wurde sich immer sicherer, dass sich dort seine Berufung und sein Einsatzgebiet befanden. 1857 meldete er sich für eine Gruppe, die in den Sudan reiste - schweren Herzens, da er gleichermaßen seine alt gewordenen und immer noch sehr armen Eltern nicht im Stich lassen wollte. So schaffte er es vor seiner Abreise zumindest so viel Geld aufzutreiben, um diese von ihren Schulden zu erlösen.

Über Combonis Jahre in Afrika zu berichten, würde diesen Bericht sprengen. Soviel sei aber gesagt, dass er sein Leben den Menschen dieses Kontinents widmete. 1864 entwickelte er "Den Plan", ein Werk mit dem Titel "Afrika durch Afrika retten": er wollte den Afrikanern Hilfe zur Selbsthilfe geben, ihnen die Ausbildung zugänglich machen, mit der sie sich selbständig aus dem Elend befreien könnten. Einen großen Stellenwert gab Comboni dabei den Frauen, zum Einen bei den afrikanischen Frauen, in denen er viel Kraft, Einfluss und Willen sah, zum Anderen in Form von Missionsschwestern, die seiner Ansicht nach einen leichteren Zugang zu den Frauen Afrikas hatten. In der katholischen Kirche fand er für seine Arbeit nur immer mal wieder und vorübergehend Unterstützung, vor allem in finanzieller Hinsicht war Comboni meistens auf sich alleine gestellt. Dennoch schaffte er es immer wieder die Mittel aufzubringen, Sklaven frei zu kaufen, er versteckte auch entflohene Sklaven und trug durch ständige Interventionen beim Gouverneur in Khartum dazu bei, den Sklavenhandel abzuschaffen.

Afrikanische Kunst in der Ausstellung


1867 gründet Daniel Comboni die Gemeinschaft der Comboni-Missionare und 1972 die Gemeinschaft der Comboni-Missionsschwestern. Viele der Priester und Missionare, in ihn in seinen afrikanischen Anfängen und in den weiteren Zeiten im Sudan begleitet hatten, waren nach und nach gestorben, da das afrikanische Klima, die hygienischen Zustände dieser Zeit für die europäischen Missionare kaum zu ertragen waren. Am 10. Oktober 1881 stirbt auch Daniel Comboni, mittlerweile zum Bischof geweiht, in Khartum aufgrund der Strapazen und Belastungen.

Was nicht mit seinem Tod verschwand, war sein Lebenswerk: zu der Zeit zählte sein Institut 36 Mitglieder von Priestern über Theologiestudenten bis hin zu Laienmissionaren. Heute zählen die Comboni-Missionare ca. 1730 Mitglieder aus über 30 Ländern, dazu kommen ca. 1600 Schwestern und ca. 300 Laienmissionare. Niederlassungen gibt es in Deutschland, Österreich und Südtirol, von denen eine ganz in der Nähe unseres Wohnorts, nämlich in Ellwangen ist - dazu später noch ein kleiner Abschnitt.

Diese Urne beherbergt heute die Überreste der Eltern und steht in einem Nebenraum der Kapelle



EIN ORT DER STILLE

Vor dem Preis steht der Schweiß und das im wahrsten Sinn des Wortes: zum Tesöl geht es sogar von unserem höher gelegenen Hotel noch ganz schön den Berg hinauf - weniger weit, als doch ziemlich steil. Da kommt man doch eventuell ins Schwitzen, wenn man nicht gerade ein durchtrainierter Cross-Läufer ist und die Temperaturen am Gardasee ziemlich hochsommerlich daher kommen. Oben angelangt findet man als Belohnung einen Ort der Stille und Muße.

Der Tesöl ist keine überlaufene Touristen-Sehenswürdigkeit. Warum? Das kann ich nur vermuten. Vielleicht weil außerhalb Limone selber (und auf einschlägigen Webseiten über Limone) keine Werbung gemacht wird, weil es keine marktschreierische Attraktion ist. Vielleicht auch, weil sich manche Menschen sagen "Was interessiert mich die Kirche und ein Missionar?" Ich weiß es nicht. Wenn einen aber Letzteres abschreckt, dann finde ich das schade, denn es geht hier um einen Menschen und sein Lebenswerk, das immerhin schon über 150 Jahre weiter wirkt - das finde ich durchaus faszinierend. Und selbst wenn man das außer Acht lässt, ist der Tesöl immer noch ein Ort mit einem ganz besonderen Charme.

Am Eingang des Parks


Hat man die heftige Steigung überwunden, betritt man einen Park, der zwar keine botanische Sensation darstellt, aber mit seinen geschwungenen, sanft bergan führenden Wegen, den alten Olivenbäumen, so manchen Palmen und Bougainvilleen zu einem schönen Spaziergang einlädt.

Am obersten Ende befindet sich eine Kapelle in Form einer Holzhütte, nach vorne offen, nach hinten in den Felsen gebaut, in dem sich auch eine Art Grotte mit einem großen Holzkreuz befindet. Hier werden wohl immer wieder auch Gottesdienste gehalten, etliche moderne Stühle nehmen leider etwas von dem rustikalen und historischen Feeling. 


COMBONIS HEIM UND MEHR

Nach einem Spaziergang durch den Park betreten wir nun die Gebäude: 

In einem Durchgang hängt ein großes Werk des südtiroler Holzschnitzers Paul Mussner, das die heilige Familie zeigt. Die verschiedenen Räume, die man besichtigen kann, sind ziemlich schlicht und dennoch interessant: das elterliche Schlafzimmer und die Wohnküche/Stube. Wenig Möbel befinden sich in den winzigen Räumen, umso interessanter sind die Briefe, die Comboni seinen Eltern aus Afrika sandte - gerahmt an der Wand, einmal im Original und einmal in der deutschen Übersetzung. Diese Briefe zeugen von Combonis Mission, aber auch von der innigen Verbindung, die er trotz seiner selbst auferlegten Aufgaben und der Entfernung zu seinen Eltern hatte.

Eine kleine Gedächtniskapelle, die in einem weiteren Raum dort errichtet wurde ist nicht wirklich historisch, sondern wurde später aus einem vormaligen Holzlager umfunktioniert. Sie enthält einen sehr schönen, aus Olivenholz geschnitzten Altar.

Kapelle im Gebäude, zu Combonis Zeit ein Holzlager


Ich persönlich finde bereits diese schlichten Räume interessant, so manch anderem Besucher mag es langweilig erscheinen. Spannender wird es für diese im Kuriositätenmuseum: hierbei handelt es sich um einen Raum, in dem die verschiedensten Gegenstände von Comboni-Padres aus aller Welt zusammengetragen wurden. Mit einer riesigen "Tridacna gigas" (eine der größten Muschelarten der Welt), den vielen Fossilien, den Mineralien (unter anderem einem Meteorit, welcher 1516 in China zur Erde fiel), den Gebissen fünf verschiedener Haiarten, den vielen raren Insekten und auch der Haut einer Anakonda und einer Python handelt es sich schon fast um ein kleines Naturkundemuseum. Auch sind archäologische Fundstücke der Prähistorik zu bewundern sowie einige Fotografien von Astronauten mit Autogramm - Grüße von der NASA an die Comboni-Missionare.

Kuriositätenmuseum


Wieder im Freien, in einer Art Innenraum, erhält man einen Eindruck von den damaligen Limonaias, in denen heute noch Zitrusbäume (allerdings nicht mehr zur Ernte und Vermarktung, sonder mehr zur Anschauung) gehegt und gepflegt werden.


MULTIMEDIA

Seit ein paar Jahren gibt es im Tesöl eine sehr interessante Multimedia-Ausstellung mit dem Titel "Im Herzen Afrikas mit Afrika im Herzen", für die man (im Gegensatz zum restlichen Gelände) Eintritt zahlen muss, die sich aber wirklich anzuschauen lohnt. 

Dieser Multimedia-Parcours besteht aus einem langen, in Schlangenlinien geführten, sich dabei immer wieder zu breiteren Räumen erweiternden Gang, der komplett im Dunklen liegt. Gleich nach der Eingangstür steht man im ersten Raum, ein Strahler in der Decke leuchtet auf und scheint auf ein lebensgroßes Bild von Daniel Comboni an der Wand, der Ton setzt ein. Ein Sprecher liest Texte die einerseits aus Combonis Briefen, andererseits aus anderen Quellen über ihn und über Afrika zu seiner Zeit zusammengesetzt sind in der Form, als würde Comboni selber berichten.

Combonis "Plan" (Nachbildung des Buchs)


In fünf Abschnitten erfährt man alles über Geschichte, Leben und Berufung eines der größten Missionare, der sein Leben Afrika und den Menschen dort verschrieb: die Ursprünge des Hl. Daniele Comboni in Limone, seine Begegnung mit Afrika, der Plan der "Erneuerung Afrikas mit Afrika", sein Leiden und Tod und die Weiterführung seinen Werkes durch die Comboni-Missionsfamilie. Dabei wird man immer vom Licht geleitet, ein Strahler geht aus, der nächste leuchtet auf und setzt Bilder und Schautafeln, afrikanische Kunstgegenstände und eine Reproduktion des Buches, in das Comboni seinen Plan geschrieben hatte in Szene. Alles sehr spannend und eindrucksvoll und durch das Dunkel, bei dem eben immer nur eine Sache erhellt wird, wird der Bann auch immer auf diese eine Sache gezogen. Dadurch verzettelt man sich nicht und alles hinterlässt einen tiefen Eindruck.

Der letzte Raum, bevor man den Parcours verlässt ist sehr schmal und zeigt eigentlich nur eine Wand mit vielen (geschätzt um die 40) kleinen quadratischen Bildern von Menschen: ein paar ältere Priester in kirchlichen Gewändern, einige wenige Schwestern, viele jüngere Männer in Zivilkleidung. Der alte Pater, der uns bei unserem Besuch das Eintrittsgeld abgenommen und uns relativ schweigsam durch die Schau begleitet hatte, erklärte uns dazu, dass es sich hier um Brüder und Schwestern handelte, die in den letzten Jahren in Afrika während ihrer Mission ums Leben gekommen waren. Meistens nicht wie zu Combonis Zeiten durch Krankheit und schlechter medizinischer Versorgung nach Unfällen, sondern durch Gewaltverbrechen. Beim Betrachten der Bilder kamen mir fast die Tränen. Der Pater erzählte uns auch, dass es in Kenia ziemlich zivil zuginge, er im Sudan allerdings dreimal krankenhausreif geschlagen worden war. "Aber das war nicht so schlimm", meinte ganz lapidar, "ich hatte zum Glück immer Freunde bei mir, die mir geholfen und Schlimmeres verhindert haben." Er berichtete auch, dass es gerade im Sudan manchmal schwer zu ertragen wäre, dass sich die verschiedenen Stämme gegenseitig mit viel Gewalt bekämpfen, anstatt sich zusammen zu tun und gemeinsam an einem besseren Leben für alle zu arbeiten. Meine Frage, wie man das alles aushält, beantwortete er so: "Es gibt dort so viele Menschen, denen man helfen kann und die einen brauchen." Das war für ihn nichts Besonderes, sondern ganz normal - mich hat diese Haltung schwer beeindruckt.

Die "gute Stube" der Combonis


Nun waren wir am Ausgang angelangt, doch es gab zwei. Der Pater wies uns darauf hin, dass der eine geradeaus zum "Basar" führen würde, der andere gleich rechterhand sofort nach draußen: "Den können sie auch nehmen, wenn sie kein Souvenir kaufen wollen." Das fand ich echt klasse, da war nichts von "Jetzt scheffeln wir noch etwas Geld von den Touristen" zu spüren. 

Hoch über dem See



GEDANKEN

Ich bin keine große Kirchgängerin, normalerweise besuche ich diese an Weihnachten, Ostern und Festen wie Taufen und Hochzeiten. Vor zwei oder drei Jahren war ich in einem Gottesdienst, den aufgrund des Urlaubs unseres Pfarrers ein Comboni-Priester hielt, der derzeit in der Niederlassung Ellwangen lebte. Dieser Mann hielt einen richtig guten Gottesdienst, der Spaß machte und einen mit zog und eine Predigt, bei der man nicht einschlief. Eigentlich war es weniger eine Predigt, sondern er erzählte von seiner Tätigkeit in Paraguay, wo er normalerweise "stationiert" war. Was mir damals schon auffiel war, dass er den Frauen eine große Bedeutung bei maß, etwas, das man von der katholischen Kirche sonst eher nicht so gewohnt ist. Und dass es ihm weniger darum ging, Gottes Wort in armen Ländern zu verbreiten, sondern Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Nachdem ich im Tesöl war, verstehe ich das, was dieser Pater damals erzählte, viel besser als zuvor: das ist Wirken in der Gesinnung Combonis.

Limonaias


Gerade für diejenigen unter euch, die sich beim Lesen vielleicht denken "Nee, mit Kirche habe ich nichts am Hut" möchte ich betonen, dass sowohl Comboni als auch alle seiner Nachfolger natürlich Mitglieder der Katholischen Kirche waren und sind, sicher auch nach ihrem Glauben handel(te)n und diesen vermitteln woll(t)en, aber "Missionieren" nach dieser Gesinnung nicht bedeutet, an erster Stelle mal die armen Ungläubigen zum "wahren Glauben" zu bekehren, sondern die tatsächliche Mission dieser Menschen das Hilfsangebot ist. Nicht alles, was dem katholischen Glauben und der Kirche entspringt ist schlecht, auch wenn diese durch das Bekanntwerden der Missbrauchsfälle in den letzten Jahren natürlich schwer an Glaubwürdigkeit verloren hat und so manches, wie zum Beispiel der Zölibatsgedanke oder die Rolle der Frau in der Kirche zu verändern wäre.

FAZIT

Auch wenn man nicht gläubig, katholisch und / oder ein regelmäßiger Kirchgänger ist: ein Besuch des Tesöls allein als historische Sehenswürdigkeit ist es auf alle Fälle wert, wenn man am Westufer des Gardasees Urlaub macht oder mit dem Boot von Malcesine nach Limone herüber kommt. 



Das Gelände, die Kapellen, alten Räume und das Museum in der Via Campaldo sind jederzeit frei zugänglich, die Ausstellung ist Dienstag - Samstag von 9 - 12 und von 15 - 18 Uhr, Sonn- und Feiertags von 15 - 19 Uhr geöffnet. Wer nach dem "Aufstieg" Hunger und Durst verspürt, der kann auf dem Weg nach unten in der Osteria da Livio einkehren, sich stärken und einen "Tesöl"-Likör genießen. Dieser wird von den Missionaren hergestellt und exklusiv in der Osteria ausgeschenkt und auch flaschenweise verkauft. Mir schmeckt dieser Tropfen (eine Art Mischung zwischen Kräuterlikör und Limoncello) recht gut zum Abschluss eines leckeren italienischen Essens und so sorgt der Tesöl nicht nur für das geistige, sondern auch für das leibliche Wohl 😉


Liebe Grüße
Eure Kerstin

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