DER TESÖL IN LIMONE SUL GARDA - DANIEL COMBONI, SEIN LEBEN UND WERK
Hallo ihr Lieben,
TESÖL???
Ob dieses Wort eine besondere Bedeutung hat, habe ich mich
bereits selber gefragt und versucht, es heraus zu finden. Allerdings kam ich zu
keinem Ergebnis, es scheint lediglich ein '''Eigenname''' für die Anlage zu sein. Das "Centro
Comboni Tesöl" , das man in Limone besichtigen kann, ist das
'''Geburtshaus''' des 2003 heilig gesprochenen Missionars Daniel Comboni,
dessen Vater Luigi Comboni seinerzeit als Gärtner in den Limonaias (den
Zitronengärten mit den für die Gegend typischen säulenumsäumten Hanganlagen)
beschäftigt war. Ein Teil des Centro wird von den heutigen Comboni-Missionaren
für Tagungen etc. genutzt, der andere Teil wurde für die Öffentlichkeit
zugängig gemacht.
Ich denke, um alles etwas verständlicher zu machen und einen
Ausgangspunkt zu finden, muss ich zunächst einmal erklären, wer dieser Daniel
Comboni eigentlich war - viele von euch werden sicher schon einmal von den
Comboni-Missionaren gehört haben, aber so mancher weiß vielleicht nichts
Genaueres darüber.
EIN HERZ FÜR AFRIKA
Daniel Comboni wurde am 15. März 1831 als das vierte Kind von
Luigi Comboni und seiner Frau Domenica, geborene Pace, geboren. Er war das
einzige Kind des Paares, das nicht im frühen Kindesalter starb, so dass die
Eltern sehr an ihm hingen. Bereits der Ortspfarrer erkannte die Intelligenz und
Begabungen des Jungen und drängte die Eltern, ihm eine gute Schulausbildung zu
geben. Mit 12 Jahren kam Daniel in das Institut des Priesters Nicola Mazza
in Verona, wo er später zum Priester und Institutsmitglied wurde.
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Schlafzimmer der Eltern Combonis, in dem Comboni geboren wurde |
Das Institut Mazza engagierte sich unter anderem auch an Aktionen zum Loskauf und der Ausbildung afrikanischer Sklavenkinder. So
lernte Daniel Comboni das schlimmste Kapitel der afrikanischen Geschichte
kennen und wurde sich immer sicherer, dass sich dort seine Berufung und sein
Einsatzgebiet befanden. 1857 meldete er sich für eine Gruppe, die in den Sudan reiste - schweren Herzens, da er gleichermaßen seine alt gewordenen
und immer noch sehr armen Eltern nicht im Stich lassen wollte. So schaffte er
es vor seiner Abreise zumindest so viel Geld aufzutreiben, um diese von ihren
Schulden zu erlösen.
Über Combonis Jahre in Afrika zu berichten, würde diesen
Bericht sprengen. Soviel sei aber gesagt, dass er sein Leben den Menschen
dieses Kontinents widmete. 1864 entwickelte er "Den Plan", ein Werk
mit dem Titel "Afrika durch Afrika retten": er wollte den Afrikanern Hilfe zur Selbsthilfe geben, ihnen die Ausbildung zugänglich machen, mit
der sie sich selbständig aus dem Elend befreien könnten. Einen großen
Stellenwert gab Comboni dabei den Frauen, zum Einen bei den afrikanischen
Frauen, in denen er viel Kraft, Einfluss und Willen sah, zum Anderen in Form
von Missionsschwestern, die seiner Ansicht nach einen leichteren Zugang zu den
Frauen Afrikas hatten. In der katholischen Kirche fand er für seine Arbeit nur
immer mal wieder und vorübergehend Unterstützung, vor allem in finanzieller
Hinsicht war Comboni meistens auf sich alleine gestellt. Dennoch schaffte er es
immer wieder die Mittel aufzubringen, Sklaven frei zu kaufen, er versteckte
auch entflohene Sklaven und trug durch ständige Interventionen beim Gouverneur
in Khartum dazu bei, den Sklavenhandel abzuschaffen.
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Afrikanische Kunst in der Ausstellung |
1867 gründet Daniel Comboni die Gemeinschaft der
Comboni-Missionare und 1972 die Gemeinschaft der
Comboni-Missionsschwestern. Viele der Priester und Missionare, in ihn in
seinen afrikanischen Anfängen und in den weiteren Zeiten im Sudan begleitet
hatten, waren nach und nach gestorben, da das afrikanische Klima, die
hygienischen Zustände dieser Zeit für die europäischen Missionare kaum zu
ertragen waren. Am 10. Oktober 1881 stirbt auch Daniel Comboni, mittlerweile
zum Bischof geweiht, in Khartum aufgrund der Strapazen und Belastungen.
Was nicht mit seinem Tod verschwand, war sein Lebenswerk: zu
der Zeit zählte sein Institut 36 Mitglieder von Priestern über
Theologiestudenten bis hin zu Laienmissionaren. Heute zählen die
Comboni-Missionare ca. 1730 Mitglieder aus über 30 Ländern, dazu kommen ca.
1600 Schwestern und ca. 300 Laienmissionare. Niederlassungen gibt es in
Deutschland, Österreich und Südtirol, von denen eine ganz in der Nähe unseres
Wohnorts, nämlich in Ellwangen ist - dazu später noch ein kleiner Abschnitt.
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Diese Urne beherbergt heute die Überreste der Eltern und steht in einem Nebenraum der Kapelle |
EIN ORT DER STILLE
Vor dem Preis steht der Schweiß und das im wahrsten Sinn des
Wortes: zum Tesöl geht es sogar von unserem höher gelegenen Hotel noch ganz
schön den Berg hinauf - weniger weit, als doch ziemlich steil. Da kommt man
doch eventuell ins Schwitzen, wenn man nicht gerade ein durchtrainierter
Cross-Läufer ist und die Temperaturen am Gardasee ziemlich hochsommerlich daher
kommen. Oben angelangt findet man als Belohnung einen Ort der Stille und Muße.
Der Tesöl ist keine überlaufene Touristen-Sehenswürdigkeit.
Warum? Das kann ich nur vermuten. Vielleicht weil außerhalb Limone selber (und
auf einschlägigen Webseiten über Limone) keine Werbung gemacht wird, weil es
keine marktschreierische Attraktion ist. Vielleicht auch, weil sich manche
Menschen sagen "Was interessiert mich die Kirche und ein Missionar?"
Ich weiß es nicht. Wenn einen aber Letzteres abschreckt, dann finde ich das
schade, denn es geht hier um einen Menschen und sein Lebenswerk, das immerhin
schon über 150 Jahre weiter wirkt - das finde ich durchaus faszinierend. Und
selbst wenn man das außer Acht lässt, ist der Tesöl immer noch ein Ort mit
einem ganz besonderen Charme.
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Am Eingang des Parks |
Hat man die heftige Steigung überwunden, betritt man einen Park, der zwar keine botanische Sensation darstellt, aber mit seinen
geschwungenen, sanft bergan führenden Wegen, den alten Olivenbäumen, so manchen
Palmen und Bougainvilleen zu einem schönen Spaziergang einlädt.
Am obersten Ende befindet sich eine Kapelle in Form
einer Holzhütte, nach vorne offen, nach hinten in den Felsen gebaut, in dem
sich auch eine Art Grotte mit einem großen Holzkreuz befindet. Hier werden wohl
immer wieder auch Gottesdienste gehalten, etliche moderne Stühle nehmen leider
etwas von dem rustikalen und historischen Feeling.
COMBONIS HEIM UND MEHR
Nach einem Spaziergang durch den Park betreten wir nun die Gebäude:
In einem Durchgang hängt ein großes Werk des südtiroler
Holzschnitzers Paul Mussner, das die heilige Familie zeigt. Die
verschiedenen Räume, die man besichtigen kann, sind ziemlich schlicht und
dennoch interessant: das elterliche Schlafzimmer und die Wohnküche/Stube. Wenig Möbel befinden sich in den winzigen Räumen,
umso interessanter sind die Briefe, die Comboni seinen Eltern aus Afrika
sandte - gerahmt an der Wand, einmal im Original und einmal in der deutschen
Übersetzung. Diese Briefe zeugen von Combonis Mission, aber auch von der
innigen Verbindung, die er trotz seiner selbst auferlegten Aufgaben und der
Entfernung zu seinen Eltern hatte.
Eine kleine Gedächtniskapelle, die in einem weiteren
Raum dort errichtet wurde ist nicht wirklich historisch, sondern wurde später
aus einem vormaligen Holzlager umfunktioniert. Sie enthält einen sehr schönen,
aus Olivenholz geschnitzten Altar.
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Kapelle im Gebäude, zu Combonis Zeit ein Holzlager |
Ich persönlich finde bereits diese schlichten Räume
interessant, so manch anderem Besucher mag es langweilig erscheinen.
Spannender wird es für diese im Kuriositätenmuseum: hierbei
handelt es sich um einen Raum, in dem die verschiedensten Gegenstände von
Comboni-Padres aus aller Welt zusammengetragen wurden. Mit einer riesigen
"Tridacna gigas" (eine der größten Muschelarten der Welt), den vielen
Fossilien, den Mineralien (unter anderem einem Meteorit, welcher 1516 in China
zur Erde fiel), den Gebissen fünf verschiedener Haiarten, den vielen raren
Insekten und auch der Haut einer Anakonda und einer Python handelt es sich
schon fast um ein kleines Naturkundemuseum. Auch sind archäologische Fundstücke
der Prähistorik zu bewundern sowie einige Fotografien von Astronauten mit
Autogramm - Grüße von der NASA an die Comboni-Missionare.
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Kuriositätenmuseum |
Wieder im Freien, in einer Art Innenraum, erhält man einen
Eindruck von den damaligen Limonaias, in denen heute noch Zitrusbäume
(allerdings nicht mehr zur Ernte und Vermarktung, sonder mehr zur Anschauung)
gehegt und gepflegt werden.
MULTIMEDIA
Seit ein paar Jahren gibt es im Tesöl eine sehr interessante Multimedia-Ausstellung mit dem Titel "Im Herzen Afrikas mit Afrika im Herzen", für die man (im Gegensatz zum restlichen Gelände) Eintritt zahlen muss, die sich aber wirklich anzuschauen lohnt.
Dieser Multimedia-Parcours besteht aus einem langen,
in Schlangenlinien geführten, sich dabei immer wieder zu breiteren Räumen erweiternden Gang, der komplett im Dunklen liegt. Gleich
nach der Eingangstür steht man im ersten Raum, ein Strahler in der Decke
leuchtet auf und scheint auf ein lebensgroßes Bild von Daniel Comboni an der
Wand, der Ton setzt ein. Ein Sprecher liest Texte die einerseits aus Combonis
Briefen, andererseits aus anderen Quellen über ihn und über Afrika zu seiner
Zeit zusammengesetzt sind in der Form, als würde Comboni selber berichten.
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Combonis "Plan" (Nachbildung des Buchs) |
In fünf Abschnitten erfährt man alles über Geschichte,
Leben und Berufung eines der größten Missionare, der sein Leben Afrika und
den Menschen dort verschrieb: die Ursprünge des Hl. Daniele Comboni in Limone,
seine Begegnung mit Afrika, der Plan der "Erneuerung Afrikas mit
Afrika", sein Leiden und Tod und die Weiterführung seinen Werkes durch die
Comboni-Missionsfamilie. Dabei wird man immer vom Licht geleitet, ein Strahler
geht aus, der nächste leuchtet auf und setzt Bilder und Schautafeln, afrikanische Kunstgegenstände und eine Reproduktion des Buches, in das
Comboni seinen Plan geschrieben hatte in Szene. Alles sehr spannend und
eindrucksvoll und durch das Dunkel, bei dem eben immer nur eine Sache erhellt
wird, wird der Bann auch immer auf diese eine Sache gezogen. Dadurch verzettelt
man sich nicht und alles hinterlässt einen tiefen Eindruck.
Der letzte Raum, bevor man den Parcours verlässt ist sehr
schmal und zeigt eigentlich nur eine Wand mit vielen (geschätzt um die 40)
kleinen quadratischen Bildern von Menschen: ein paar ältere Priester in
kirchlichen Gewändern, einige wenige Schwestern, viele jüngere Männer in
Zivilkleidung. Der alte Pater, der uns bei unserem Besuch das Eintrittsgeld abgenommen und uns relativ schweigsam durch die Schau
begleitet hatte, erklärte uns dazu, dass es sich hier um Brüder und Schwestern
handelte, die in den letzten Jahren in Afrika während ihrer Mission ums Leben
gekommen waren. Meistens nicht wie zu Combonis Zeiten durch Krankheit und
schlechter medizinischer Versorgung nach Unfällen, sondern durch
Gewaltverbrechen. Beim Betrachten der Bilder kamen mir fast die Tränen. Der
Pater erzählte uns auch, dass es in Kenia ziemlich zivil zuginge, er im Sudan
allerdings dreimal krankenhausreif geschlagen worden war. "Aber das war
nicht so schlimm", meinte ganz lapidar, "ich hatte zum Glück immer
Freunde bei mir, die mir geholfen und Schlimmeres verhindert haben." Er
berichtete auch, dass es gerade im Sudan manchmal schwer zu ertragen wäre, dass
sich die verschiedenen Stämme gegenseitig mit viel Gewalt bekämpfen, anstatt
sich zusammen zu tun und gemeinsam an einem besseren Leben für alle zu
arbeiten. Meine Frage, wie man das alles aushält, beantwortete er so: "Es gibt dort so viele Menschen, denen man helfen kann und die einen
brauchen." Das war für ihn nichts Besonderes, sondern ganz normal -
mich hat diese Haltung schwer beeindruckt.
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Die "gute Stube" der Combonis |
Nun waren wir am Ausgang angelangt, doch es gab zwei. Der
Pater wies uns darauf hin, dass der eine geradeaus zum "Basar" führen
würde, der andere gleich rechterhand sofort nach draußen: "Den können sie
auch nehmen, wenn sie kein Souvenir kaufen wollen." Das fand ich echt
klasse, da war nichts von "Jetzt scheffeln wir noch etwas Geld von den
Touristen" zu spüren.
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Hoch über dem See |
GEDANKEN
Ich bin keine große Kirchgängerin, normalerweise besuche ich
diese an Weihnachten, Ostern und Festen wie Taufen und Hochzeiten. Vor zwei
oder drei Jahren war ich in einem Gottesdienst, den aufgrund des Urlaubs
unseres Pfarrers ein Comboni-Priester hielt, der derzeit in der Niederlassung
Ellwangen lebte. Dieser Mann hielt einen richtig guten Gottesdienst, der Spaß
machte und einen mit zog und eine Predigt, bei der man nicht einschlief.
Eigentlich war es weniger eine Predigt, sondern er erzählte von seiner
Tätigkeit in Paraguay, wo er normalerweise "stationiert" war. Was mir
damals schon auffiel war, dass er den Frauen eine große Bedeutung bei maß,
etwas, das man von der katholischen Kirche sonst eher nicht so gewohnt ist. Und
dass es ihm weniger darum ging, Gottes Wort in armen Ländern zu verbreiten,
sondern Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Nachdem ich im Tesöl war, verstehe ich das, was dieser
Pater damals erzählte, viel besser als zuvor: das ist Wirken in der Gesinnung
Combonis.
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Limonaias |
Gerade für diejenigen unter euch, die sich beim Lesen
vielleicht denken "Nee, mit Kirche habe ich nichts am Hut" möchte ich
betonen, dass sowohl Comboni als auch alle seiner Nachfolger natürlich
Mitglieder der Katholischen Kirche waren und sind, sicher auch nach ihrem
Glauben handel(te)n und diesen vermitteln woll(t)en, aber
"Missionieren" nach dieser Gesinnung nicht bedeutet, an erster Stelle
mal die armen Ungläubigen zum "wahren Glauben" zu bekehren, sondern
die tatsächliche Mission dieser Menschen das Hilfsangebot ist. Nicht alles, was
dem katholischen Glauben und der Kirche entspringt ist schlecht, auch wenn
diese durch das Bekanntwerden der Missbrauchsfälle in den letzten Jahren
natürlich schwer an Glaubwürdigkeit verloren hat und so manches, wie zum
Beispiel der Zölibatsgedanke oder die Rolle der Frau in der Kirche zu verändern
wäre.
FAZIT
Auch wenn man nicht gläubig, katholisch und / oder ein regelmäßiger Kirchgänger ist: ein Besuch des Tesöls allein als historische Sehenswürdigkeit ist es auf alle Fälle wert, wenn man am Westufer des Gardasees Urlaub macht oder mit dem Boot von Malcesine nach Limone herüber kommt.
Liebe Grüße
Eure Kerstin
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